De-Mail
Anfang Juli 2010 startete die Deutsche Post ihren „E-Postbrief“ und mit der von der Bundes- regierung protegiertem „De-Mail“ folgten im Herbst 2012 Mentana Sift, Telekom Deutschland, T-Systems und United Internet mit gmx.de und web.de.
Wir können schon jetzt feststellen, dass erhebliche Kritik von wichtigen Presse-Organen wie z.B. Spiegel-Online, Heise-Online, FAZ.NET, Handelsblatt, aber insbesondere auch der Stiftung Warentest und dem Deutschen Anwalt-Verein veröffentlicht wurde.
Im Folgenden haben wir die Kritik nach wichtigen Kriterien sortiert. Dabei verwenden wir den Begriff „E-Post“ als Synonym für beide, den „E-Postbrief“ und die „De-Mail“.
Und damit Sie die Statements leicht überprüfen können, finden Sie gleich auch den Link zur Internet-Quelle.
Brriefportohöhen sind kein Thema für iX. Jedenfalls eigentlich nicht. Höchstens, wenn es um die Beurteilung der Chancen eines neuen digitalen Dienstes geht. Etwa von De-Mail, rund anderthalb Jahre nach Verabschiedung des gleichnamigen Gesetzes durch Angebote privater Provider seit September auch für Privatkunden verfügbar.
Damit sollen natürliche und juristische Personen rechtsverbindliche E-Mails versenden können. Genauer gesagt: ziemlich rechtsverbindliche E-Mails. Denn, wie auch das Bundesministerium des Innern jüngst noch einmal feststellte, eine De-Mail entspricht nur dann der Schriftformerfordernis nach § 126b BGB, wenn sie mit einer qualifizierten Signatur versehen ist.1
Immerhin war angedacht, De-Mail als von den Finanzämtern anerkanntes Zustellmedium für Rechnungen einzusetzen. Doch seit eine EU-Vorschrift die Finanzämter davon abhält, für die Anerkennung digitaler Rechnungen zum Vorsteuerabzug eine qualifizierte Signatur zu fordern, hat sich dieses Argument für De-Mail erledigt.
Was bleibt, ist ein Dienst, der nach einem recht umständlichen Registrierungsprozess das Versenden ziemlich rechtsverbindlicher digitaler Nachrichten erlaubt – und natürlich nicht kostenlos ist. Die Einrichtung eines Firmenkunden-Kontos ist nicht unter 20 Euro pro Benutzer zu haben, hinzu kommen bei den meisten Providern monatliche Fixkosten. Für Privatkunden entfallen beide Posten, relativ ähnlich sind die Gebühren pro Nachricht: zwischen 0,33 und 0,49 Euro, wenn das Kontingent freier Mails verbraucht ist. Für Einschreiben, Versandbestätigungen, persönliche Zustellung und ähnliche Sonderleistungen gibt es Aufschläge.
Diese Preise mögen für die Anbieter gerade kostendeckend sein, attraktiv sind sie nicht. Die Ersparnis gegenüber der guten alten Snail-Mail wird sich auch künftig im Bereich weniger Eurocent halten. Ganz zu schweigen vom Fax. Das entspricht zwar auch nicht der Schriftformerfordernis des § 126b BGB, aber die Behörden erkennen ein gefaxtes Dokument als fristwahrend an und Firmen akzeptieren diesen Weg als schriftliche Bestellung.
Eine Firma ohne Faxgerät muss man mit der Lupe suchen, und auch in Privathaushalten sind Telekopierer seit dem Aufkommen von Multifunktionsgeräten (Drucker/Scanner/Fax) weit verbreitet.
Und um wieder auf die Portokosten zurückzukommen: Bei den heute üblichen Telefonie-Flatrates tendieren die für ein Fax gegen null. (js)
Alle Links: www.ix.de/ix1211003
1 Das ändert sich eventuell mit dem für 2013 geplanten E-Government-Gesetz, siehe Seite 26 in iX 11/2012.
Quellle: http://www.heise.de/ix/artikel/Ziemlich-ueberfluessig-1723971.html
Nicht beirren lassen:
E-Post bringt nicht das Brief-Geheimnis ins Internet!
Die E-Post garantiert keinen Schutz des Brief-Geheimnisses, denn die E-Post unterliegt nicht dem strengen Brief-Geheimnis, sondern nur dem Fernmelde-Geheimnis.
FAZ.NET 4.8.2010
E-Post ist nicht sicherer als eine Postkarte
Öffnung eines Briefs bedarf richterlichen Beschluss.
Öffnung einer e-mail kann jeder Polizist.
Rechtsanwälte Vetter und Stadler, 23.9.2010
http://www.zeit.de/digital/datenschutz/2010-07/de-mail-post-datenschutz
Erhebliche Zweifel an der Sicherheit im Internet
Aus technischen Gründen würden De-Mails auf dem Server des Anbieters einmal kurz entschlüsselt und anschließend sofort wieder verschlüsselt. Kritiker sehen darin eine Schwachstelle, die sich Angreifer zunutze machen könnten – das sei wie bei einem Brief, der unterwegs geöffnet und in ein neues Kuvert gesteckt werde.
Heise-Online, 24.7.2010
http://www.heise.de/newsticker/meldung/Kritik-am-E-Postbrief-waechst-1044814.html
Wird der E-Postbrief gedruckt, könnten Postmitarbeiter die Texte theoretisch lesen.
E-Post verwendet TLS-Verschlüsselung. Sicherheitslecks gab es in der Vergangenheit laut Medienberichten aber auch bei TLS.
Stiftung Warentest, 15.7.2010
Wirklich vertraulich ist E-Post nur mit zusätzlicher persönlicher Verschlüsselung.
Stiftung Warentest, 15.7.2010
Große Bedenken beim Datenschutz
Es werden vom Provider grundsätzlich Kopien angefertigt.
Richard Gutjahr, 23.7.2010
http://gutjahr.biz/blog/2010/07/die-gelbe-gefahr/
Eine anonyme Nutzung ist, im Gegensatz zum traditionellen Brief, nicht gegeben. Jeder Nutzer des Dienstes muss sich bei der Registrierung der Adresse identifizieren. Das kritisierte auch der Bundesbeauftragte für Datenschutz Peter Schaar. Die sichere elektronische Kommunikation müsse auch unter einem Pseudonym genutzt werden können. Sonst drohe die "E-Post-Adresse zu einer Art Personen-Kennzeichen zu werden".
Gemäß § 113a des Telekommunikationsgesetzes müssen Verkehrsdaten sechs Monate aufgezeichnet werden. Das bedeutet, dass jeder Zugriff auf das Postfach durch den Provider gespeichert wird.
ZEIT-Online, 29.7.2010
http://www.zeit.de/digital/datenschutz/2010-07/de-mail-post-datenschutz
Die hinterlegten persönlichen Daten des Nutzers für eine Vielzahl von Sicherheits-Behörden und Geheimdienste ohne richterliche Anordnung anforderbar.
Handelsblatt, 16.7.2010
Daten werden nach ihrer Löschung durch den Nutzer gegebenenfalls vom Provider zunächst nur gesperrt und dann erst mit zeitlicher Verzögerung endgültig gelöscht.
Rechtsanwalt Vetter, 4.8.2010 in FAZ.NET
http://www.faz.net/s/RubD16E1F55D21144C4AE3F9DDF52B6E1D9/
Doc~E72D2974FE32D4C19A3F22A6F126EC1BE~ATpl~Ecommon~Sspezial.html
Die anonyme Kommunikation im Internet ist ein wichtiger Grundwert, der Meinungs- und Informationsfreiheit sichert. Er darf über die Einrichtung von De-Mail-Diensten nicht eingeschränkt werden.
Anwalt-Verein, im Juli 2010
STIFTUNG WARENTEST kritisiert:
Anmeldung für E-Postbrief umständlich, aufwendig und nur mit Handy
1. Auf Post-Homepage registrieren und online-Adresse sichern.
2. Post schickt TAN mit SMS auf Handy, d.h. wer kein Handy hat, kann den E-Postbrief nicht nutzen
3. Nutzer muss mit Handy bestätigen
4. Post schickt Registrierungs-Code mit Brief = Berechtigung zur Anmeldung
5. Nutzer muss Formular für das Postident-Verfahren drucken
6. Nutzer muss zur Postfiliale gehen und sich dort ausweisen
7. Für individuelle Verschlüsselung von Absender und Anwender müssen beide ein Zertifikat beantragen.
Stiftung Warentest, 15.7.2010
Seltsame AGB für E-Postbrief
Unsinnige Verpflichtung: mindestens einmal werktäglichen Posteingang kontrollieren
Stiftung Warentest, 15.7.2010
Der Nutzer muss sich verpflichten, keine "Inhalte im System" einzustellen, die "das Ansehen der Deutschen Post schädigen können".
Spiegel-Online, 26.7.2010
http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,708533,00.html
Post darf mit Adressen Handel betreiben, wenn der Kunde der Nutzung der Adresse gegenüber der Post zugestimmt hat
Richard Gutjahr, 23.7.2010
E-Post ist eine simple Marketing-Idee – mehr nicht!
Der Deutsche Anwalt-Verein DAV hegt erhebliche Zweifel am praktischen Bedürfnis öffentlicher Stellen für E-Post-Dienste. Eine Zustellung elektronischer Dokumente ist schon heute möglich. Sie geschieht in der Praxis in vorhandenen Verfahren auch problemlos.
Anwalt-Verein, im Juli 2010
Es scheint fraglich zu sein, warum man überhaupt einen eigenen Dienst für die elektronische Post braucht.
ZEIT-Online, 29.7.2010
http://www.zeit.de/digital/datenschutz/2010-07/de-mail-post-datenschutz
Öffentliche Stellen und große Unternehmen können ihre Kunden nicht zur Nutzung von E-Post zwingen.
Anwalt-Verein, im Juli 2010
In der Filiale kostet die Zusatzleistung Einschreiben mit Rückschein 3,85 €, über E-Postbrief 4,58 €. Hintergrund: Für das Filial-Einschreiben fällt keine Mehrwertsteuer an.
Stiftung Warentest, 15.7.2010
„Die Post proudly presents: Der E-Brief ... kostet nur schlappe 55 Cent pro Stück ... die E-Mail zittert“.
Handelsblatt, 16.7.2010
Z.B. Miet-Kündigungen, Strafzettel und Kündigung von Arbeits-Verträgen nicht mit E-Postbrief, denn sie bedürfen stets der Schriftform.
Stiftung Warentest, 15.7.2010